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Seit seiner »Wiederauferstehung« vor einigen Jahren hat sich »Exodus« in der Phantastik-Szene etabliert. Das Magazin, das seinen Untertitel »Science Fiction Stories & Phantastische Grafik« sehr ernst nimmt, ist die derzeit beste Publikation, in der deutschsprachige Autorinnen und Autoren kürzere Science-FictionTexte veröffentlichen können. Ein ansprechendes Layout und ein perfekter Druck machen das A4- Magazin zu einem literarischgrafischen Ereignis, das sich ein Fan des Genres nicht entgehen lassen sollte.

Das gilt auch für die aktuelle Ausgabe 28, die im September 2011 erschienen ist. Das Magazin wird als Themenheft zu »Von fernen und anderen Reisen« apostrophiert. Dabei lassen die Herausgeber - so schreiben sie in ihrem Vorwort - bewusst offen, ob die Reisen durch den Raum oder die Zeit gehen sollen. Schließlich solle »Vielseitigkeit ... auch bei vorgegebenen Themen garantiert sein«.

Andromeda Nachrichten 236 Titelbild: Michael Mittelbach

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Vielleicht ist Literatur so überhaupt erst entstanden: An Lagerfeuern erzählte Erlebnisse von Reisenden aus fremden Ländern mit anderen Kulturen und Gebräuchen, zuerst nur mündlich überliefert und schließlich auf einer beschreibbaren Unterlage festgehalten. Noch heute deckt die Reiseliteratur einen Großteil des Buchmarktes ab.

Warum sollte es also in der Zukunft anders sein? »Von fernen und anderen Reisen« lautet der Untertitel einer neuen Ausgabe von EXODUS, die den hier schon hochgelobten Vorgängerausgaben in nichts nachsteht.
Dem Rezensenten bleibt in diesem Fall nur, Eulen nach Athen zu tragen (auch eine schöne Reise, aber kein Beitrag zum Schuldenabbau....). Habe ich am Ende der Besprechung von EXODUS 27 noch geklagt, dass der Zeitraum bis zum Erscheinen der nächsten Ausgabe viel zu lang wäre, zeigt sich nun, wie relativ Zeit und Raum doch sind. Und um Reisen durch Raum wie auch Zeit geht es in EXODUS 28.

Exodus 28

Das Thema „Von fernen und anderen Reisen" bietet erstaunlich viele Variationen. Die Herausgeber haben in ihrem Vorwort darauf hingewiesen, das die Anzahl der Beiträge zu Themenbänden geringer, die Qualität aber deutlich höher ist. Die hier gesammelten Geschichten unterstreichen diesen nicht nach Eigenlob klingenden Tenor, nach der etwas schwächeren siebenundzwanzigsten Ausgabe gehört die neue Nummer zu den besten Heften der letzten Jahre.

Helmuth W. Mommers eröffnet den Reigen mit der unterhaltsamen Farce „Goodbye, James!", in der die Verwechselung eines einfachen Koffers – Aluminium – die Welt eines einfachen, bodenständigen Handelsvertreters einstürzen lässt. Ausschließlich aus dessen subjektiver, nicht ganz ernster Perspektive erzählt spannt Mommers den Bogen von den James Bond Filmen – daher die Anspielung im Titel – zu klassischeren Science Fiction Sujets, die stilistisch erstaunlich offensiv und vor allem positiv verspielt kurzweilig miteinander kombiniert. Das Ende ist konsequent und vor allem nicht belehrend bemüht. Eine seiner besten Geschichten, die vor allem inhaltlich auf allen Ebenen überzeugen kann.

Exodus 28: Themenband »Von fernen und anderen Reisen«

Diese Ausgabe des Magazins beinhaltet wieder einmal eine ganze Reihe vielfältiger fantastischer Geschichten. Allerdings dieses Mal als Themenband oder Anthologie unter dem Leitmotiv „Von fernen und anderen Reisen". Nun ist es ja gerade in der Fantastik nicht schwierig, hierzu entsprechende Beiträge zu finden. Einige wurden von den Autoren auch speziell für diese Ausgabe geschrieben.

Und wieder dürfen wir durch die Höhen und Tiefen des Alls, des Lebens und der Psyche der Protagonisten reisen. Und durch die Vielseitigkeit und recht unterschiedliche Qualität der Autoren. Leider auch durch einige weniger gut gelungene Arbeiten. Aber darüber sollte sich jeder seine eigene Meinung machen und deswegen verzichte ich hier auf eine Bewertung.

Exodus 27 – Magazin für Science Fiction Stories & Phantastische Grafik

Als SF-Fan aus den westlichen Bundesländern hatte man vor dem Fall der Mauer wenig Gelegenheit SF aus der DDR kennen zu lernen. Wenige Autoren aus dem Osten schafften den Sprung in westliche Verlage und Buchhandlungen. Und doch hatte man immer das Gefühl, jenseits der Mauer gäbe es bestimmt auch den einen oder anderen Autor, der lesenswerte Texte zu Papier gebracht haben könnte.

Nach dem Fall der Mauer schwappten auf Trödelmärkten im ehemaligen Grenzgebiet diverse Bücher und Taschenbücher herüber und die meisten waren inhaltlich eine Enttäuschung. Andere offenbarten aus ihrem kommunistischen Blickwinkel eher Einblicke in die früheren Verhältnisse und Gedankenbilder der schriftstellerisch Schaffenden und den Grenzen, die ihnen in der DDR auferlegt wurden. Grenzen im Kopf auch bei einem Genre wie der Science Fiction, für die es ja grundsätzlich keine Grenzen geben dürfte? Aber ja, sicher.

Trotzdem ist jeder Einblick in diese spezielle Science Fiction interessant, ob in historischer, schriftstellerischer oder politischer Weise. Erik Simons kurze Gedanken zum Ehepaar Braun geben hier einen kleinen Teil wieder.

Exodus 27: Die neuen Menschen

Mit „Exodus 27" liegt dieses Mal keine reine Themenausgaben wie zum Beispiel „Die neuen Menschen" vor. Die insgesamt elf Geschichten - die Herausgeber zählen auch Erik Simons Gedanken zur Phantastik der Eheleute Braun zu den Stores - werden in bekannter Manier von sehr guten, in unterschiedlichen Techniken erstellten teilweise farbigen Graphiken begleitet. Im Gegensatz zu den manchmal teilweise flammenden Vorwörtern ist das Editorial fast pflegeleicht. Im Mittelpunkt des graphischen Parts stehen die Welten des Crossvalley Smiths, einem unter Pseudonym veröffentlichenden Computergraphikkünstlers. Klaus N. Frick führt in dessen Arbeiten ein, wobei er die künstlerischen Aspekte von am Computer entstandenen Zeichnungen heftig und kontrovers für sich selbst diskutiert. Das anschließende Interview mit dem Graphiker ist deutlich aufschlussreicher und zeigt einen konträren Standpunkt. Crossvalley Smith unterscheidet zwischen dem technischen Hilfsmittel Computer und dem weiterhin vorhandenen künstlerischen Auge, die zusammenwirken müssen. Die in Farbe und exzellenter Druckqualität wiedergegeben Graphiken geben einen sehr guten Überblick über das Werk Crossvalley Smiths, wobei der Hinweis auf dessen Homepage mit 56 Bildwerken zu Motiven der „Raumpatrouille Orion" - einige wenige Arbeiten werden stark verkleinert und in schwarzweiß ebenfalls dem Interview beigefügt - das künstlerische Spektrum noch stark erweitert. Seine außerirdischen Welten wirken exotisch und sind phantasievoll gestaltet. Die Kombination aus fotorealistischen Motiven - siehe auch das eindrucksvolle Titelbild - und kreativer freigeistiger Gestaltung funktioniert nicht immer perfekt. Manchmal wird das Auge zu sehr zu den integrierten „Fotos" gelenkt und die Phantasie plötzlich wieder auf eine zu realistische Ebene zurückgeführt. Zusammengefasst sind die Graphiken aber eindrucksvoll und diese Werksschauen geben den einzelnen „Exodus" Magazinausgaben ihren besonderen hervorzuhebenden Flair.

Exodus 22: Nachdruck mit farbiger Komplettsanierung

Die zweiundzwanzigste „Exodus" Ausgabe war im Gegensatz zu einer Reihe von Heften früheren Erscheinungsdatum schon länger vergriffen. Da die Herausgeber mit den nächsten Ausgaben erst auf eine blaue Titelschrift und später auf Farbe insbesondere in den immer wieder sehenswerten graphischen Teilen gewechselt sind, bot sich im Grunde ein Nachdruck in Form einer farbigen „Komplettsanierung" gerade zu an. Jetzt liegt die Ausgabe mit dem auffälligen umlaufenden Titel von Mario Moritz als Neuauflage vor.

Uwe Posts Geschichte „Instant Man" eröffnet die EXODUS 22 Ausgabe. Bizarre wie rückblickend verblüffend einfache Ideen sind inzwischen zu Uwe Posts Spezialität geworden. Anstatt willige Helfer zu klonen, kann man sie - wie Tütensuppe durch Aufgießen und drei Stunden ziehen lassen - „züchten". Allerdings gibt es Gesetze, die einen Missbrauch verhindern sollen. Mittels eines Spezialchips gibt es zumindest in der Theorie eine gewisse Überwachung. Aber auch Neoterroristen haben den einmaligen Wert dieser Instantmenschen erkannt. Neben der brillanten Idee, die einfach von Uwe Post ohne wissenschaftliche Erklärung in den Raum gestellt wird, überzeugt Posts experimentierfreudiger Stil. Handlungstechnisch wirkt allerdings die Ermittlungsarbeit des Polizisten im Fall des missbrauchten Instant Man zu oberflächlich, zu fragmentarisch, um wirklich überzeugen zu können. Auch fehlt der Geschichte eine emotionale Ebene, welche die beschriebenen Ereignisse greifbarer, zugänglicher gemacht hätte. Vielleicht kann Uwe Post „Instant Man" irgendwann zu einer längeren und besser strukturierten Novelle ausarbeiten. Die Grundidee bürgt ausreichend Potential.

Exodus 26

Standen in den letzten Bänden in erster Linie Themenwelten im Mittelpunkt der einzelnen "Exodus" Ausgaben, gehen die Herausgeber im Grunde den logischen Schritt weiter. Um das Portrait des Künstlers Helmut Wenske - mit zahlreichen farbigen und großformatigen Bildern im Mittelteil, die aufgrund der sehr guten Druckqualität der vorliegenden Ausgabe auch entsprechend zur Geltung kommen - haben sie neben einer kurzen Fabel und einem Gedicht Geschichten platziert, die von den psychedelischen Bildwelten Wenskes inspiriert worden sind. Uwe Anton führt in Wenske unter dem Einfluss von Drogen entstandene Werke ein und bereitet den Leser auf Wenske ironisches Essay "Phantastik Kunst & Kifferwahn" vor. Es ist sicher kein Zufall, das Philip K. Dick den Künstler am ehesten inspirierte, während ansonsten seine markanten und expressiven Bilder in erster Linie SF- Romane wie zum Beispiel Otto Basils "Wenn das der Führer wüsste" schmückten, ohne in einem Zusammenhang mit dem Roman entstanden zu sein. Wenske selbst sieht sich auch eher als freischaffender Künstler - viele seiner Werke zieren eine Reihe von Platten unterschiedlicher und heute weniger bekannter Gruppen wie zum Beispiel "Nektar" -, der keine Auftragsarbeiten abliefern wollte oder konnte. Sein kurzes Essay, in dem er unter anderem seine Erfahrungen mit den biederen örtlichen Kulturverbänden genauso beschreibt wie auch hinsichtlich seines Drogenkonsums kein Blatt vor den Mund nimmt, ist frech und offen provozierend geschrieben. Es zeigt Wenske als einen genauen Beobachter seiner Umwelt, aus welcher er sich aber im Grunde nicht viel bis gar nichts gemacht hat. Die verschiedenen Bilder geben einen sehr guten Einblick in das Schaffen des Künstlers.