Blumen für Lisa-9

von Uwe Post

Als wir Papa begruben, schien die Frühlingssonne auf Lisa-9 mit ihrem bunten Blumenstrauß.
      Niemand sprach, als Papas Urne am Fuße der alten Buche versenkt wurde. Mama presste die Lippen fest aufeinander. Der Friedwald-Angestellte nickte uns zu.
      Ohne Zögern trat Mama vor, griff zur Schaufel und ließ Erde auf Papas Urne prasseln.
      Sie hörte gar nicht mehr auf zu schaufeln.
      Der Mann vom Friedwald warf mir einen Blick zu. Meine Schwester aber war Luft für ihn.
      Meine kleine Schwester, die früher meine große Schwester gewesen war.
      Lisa war perfekt. Äußerlich neun Jahre alt. Für immer. Aber in Wirklichkeit erwachsen. Erwachsener als Papa, soviel stand fest. Sonst wäre das alles nicht passiert.
      Aber … vielleicht beginne ich besser am Anfang.

Soeben für den Kurd-Laßwitz-Preis 2025 nominiert:

 

Das weiße Zelt

von Michael Schneiberg

Ich denke, wir waren eine ziemlich normale Familie. Nachdem meine Eltern Frank und Eva ihren großstädtischen Zyklus von Studentenleben, Zwei-Zimmer-Wohnung, Berufseinstieg und zögerlicher, aber letztlich überzeugter Familiengründung durchlaufen hatten, ließen sie sich in einer frisch sanierten Reihenhaussiedlung aus den 30er-Jahren in Köln-Nippes nieder. Mitten zwischen Menschen gleichen Schlages, linksbürgerliche, kritische Beobachter der Welt, mit einer Sehnsucht nach guter Nachbarschaft und dem Willen, eine richtige Entscheidung an die andere zu reihen.