Some Time in Mozambique

Er delirierte, seine Lippen zitterten: »Es schmerzt und löst sich. Mein linkes Bein ist taub, doch mein rechter Fuß glüht. Mir ist warm und kalt zugleich, und das ist schön.«
     Die gehauchten Worte flossen durch ein Mikrophon zu den Wandlautsprechern des Beobachtungsraumes. Doktor Hannah nannte er mich nicht mehr, sprach niemanden mehr an, nur noch aus sich heraus.
Die Panzerglasscheibe zwischen dem Mann und mir rahmte sein Leiden zu einem grausamen Bild ein. Der Pilz würde bald aus dem Mann sprießen.
Vom hohen Fieber gerötet, wälzte er sich auf dem Laken. Stirn, Brustkorb und Unterarme glänzten vor Talg und Schweiß. Sporen drangen aus seinen Hautdrüsen. Der Mann riss die Augen auf, doch sie fielen ihm gleich wieder zu. Hände ballten sich im Futteral der Lederfesseln wie beim Liebesspiel, der Körper spannte, erschlaffte und krümmte sich. Der Mann atmete heftig und flach, sprach leise: »Meine Atmung wird schnell, dann langsam. Verwirrend, aber sie dreht immer genau zum rechten Zeitpunkt, und dieses sonderbare Gefühl, dass ...«, die Worte verklangen, das hochempfindliche Mikrophon fing keinen Laut mehr aus seinem Mund auf. Seine Lippen zuckten weiter.
      »Es zeichnet sich aus ihm heraus«, murmelte ich, ohne über meine Worte nachzudenken. Die Stoppuhr unter dem Beobachtungsfenster lief seit 34 Stunden, viel Zeit würde ihm nicht bleiben. Seine Körperwärme verteilte sich ungleichmäßig. Der Pilz breitete sich weiter aus und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Ich war seit wenigen Tagen im Komplex und würde, wie alle vor mir, auch keine Antwort finden. Wie sollte es überhaupt weitergehen? Weite Teile Südostafrikas standen bereits unter Quarantäne. Wie es genau angefangen hatte, wussten wir immer noch nicht.     Eines Tages begannen am Ufer das Malawisees Menschen zu sterben, und jeder, der den Sterbenden half, starb auch. Wer nicht half, starb. Wer sich verschanzte, starb. Wer blieb, starb, und viele, die flohen, starben trotzdem. Alle starben. Wissenschaftler, Bergungsteams, Militärs kamen zur Hilfe und starben.
     Flugdrohnen segelten über den Shire River, über Straßen und kleine Orte, Bodendrohnen stelzten auf ihren dünnen Beinen durch Wälder und Wohnhäuser, über Höfe und Gärten. Diese kopflosen Hunde waren mir unheimlich. Von den Leichen filmten die Drohnen eingefrorene Gesichtsausdrücke voller Frieden ab, hin und wieder ein Grinsen, oft lag Güte unter einem Glorienschein, der sich in wenigen Stunden über jede der Leichen legte.
     Dieser Schein stellte sich als neuartiger Schimmelpilz heraus, der sich im Hirn einnistete. Dort bildete er in Frontal- und Schläfenlappen eine Kolonie und breitete sich über die Blutbahnen weiter im Körper aus. Wenig später sprossen Pilzstiele auf der Haut, aus den Augen, dem Mund, wuchsen durch T-Shirts, Kleider und Hosen, erblühten von Neuem mit Sporen, die mit den nächsten Wirten den Zyklus wiederholten.
     Erschrocken und aufmerksam studierten wir Aufnahmen der verschleierten Leichen, sodass uns die faulenden Tiere erst später auffielen. Vögel und Säuger verendeten schnell, Minuten bis wenige Stunden genügten. Reptilien und Insekten blieben verschont. Kugeln aus weißem Flaum lagen verstreut in den Hügeln östlich des Malawisees. Der Schimmel reflektierte alles Licht, blieb farblos, reinweiß und verdichtete sich, bis das Wesen darunter ausgeblendet wurde. Wie der Pilz auftauchte, blieb ungeklärt. Aus dem Nichts war er erschienen: Aspergillus gloriosus.
     Seit dem ersten Fall waren nur neun Monate vergangen, jeder Tag dehnte sich zu einem Jahrhundert, doch die Wochen flogen vorbei wie ein Fingerschnippen. Unser Komplex wurde vor nur drei Monaten zwischen Quarantänezone und Außenwelt abgesetzt. Initiiert durch einen Akt kollektiver Angst baute die Weltgemeinschaft den Komplex mit medizinischer Forschungsstation. Der Komplex steckte wie eine Speerspitze am Ende eines Korridors durch das Puffergebiet zwischen Todeszone und Außenwelt. Die Lose entschieden, welches Forschungszentrum wann seinen Forscher entsendete. Als ich mein Los für die Einzelschicht zog, lagen die Monate bis zum Antritt so weit in der Zukunft, dass ich nicht damit rechnete, je hier anzukommen.
     Vor einer Woche setzte mich die Flugdrohne jedoch am Abstieg zur Dekontaminationskammer des Tunnels ab. Die Erinnerung daran ist verblichen wie eine Fotografie aus einer vergangenen Zeit. Ich lief den Tunnel entlang, er hob sich aus dem Erduntergrund durch den Boden, führte hinauf in die Bäume, brach nach etlichen Kilometern durch die Baumkronen, Horizont überall, und traf auf das vierte Geschoss des Komplexes. Am Komplexeingang wendete ich mich zurück, der Wald wogte in Wellen, im immer blauer versinkenden Himmel erahnte ich Berglandschaften, nur in die hinabsinkende Röhre des Tunnelaufstiegs blickte ich wie in einen Gewehrlauf – mit mir als Projektil. In der Druckschleuse befreite ich mich vom Schutzanzug und der Außenwelt. Noch am selben Tag folgte ich den vielen Gängen von meinem Wohn- zum Beobachtungsraum, in den Leidende aus dem abgetrennten Flügel des Komplexes zum Sterben gebracht wurden. Die ersten Male stand ich nahe am Panzerglas, wenn der Tod des Menschen eintrat, immer in der Hoffnung, es ließe sich etwas erkennen.
     An diesem Tag, an dem wieder ein Mann im Sterben lag, blieb für mich nichts mehr zu tun. Ich war abgestumpft. ZeuS dokumentierte die letzten Stunden des Mannes. Die Türen glitten auf, und ich trat in den Korridor. Sofort surrten die Polymertüren hinter mir wieder zu. Jurek, der vor mir die Station besetzte, hatte Blumenduft im Komplex versprüht. Ich konnte den Geruch nicht loswerden, dekontaminierte Gang für Gang, Zimmer für Zimmer, drehte die Belüftungsanlage auf und ab, doch der Duft von Blumenwiese schwirrte durch Korridore, Räume, duftete aus dem Duroplast, aus dem Naturkautschuk im Boden, sogar die Edelstahlpaneele rochen nach Blumen. Schön, aber verwirrend. Ich wollte den Duft auslöschen.
     Ich strich mein Haar etwas zurück, schaltete Ohrhörer und Mikro ein.
     »Hast du ihn mitangesehen, Jurek?«, fragte ich.
     »Einen Moment«, hörte ich Jureks Stimme im Hörer, dann das Plätschern seiner Tastatur, ein Seufzen und Räuspern. »Ja, Hannah, ich sehe die ganze Zeit zu. Ich schreibe nur nebenher einen sinnlosen Bericht. Wie geht es dir?«
     »Es ist okay. Ich hatte gehofft, erst nächste Woche deine Schicht zu übernehmen, aber es musste wohl sein.«
     »Ja, leider. Oh je, es tut mir sehr leid, aber meine Frau ...«
     »... ich weiß! Nur Spaß«, unterbrach ich ihn, »ich freue mich wirklich sehr, hier zu sein. Es ist magisch, abgründig, aber magisch.«
     »Ach ...!«, atmete Jurek erleichtert durch, »ja, ist es. Mir war der Komplex unheimlich, mehr als die Quarantänezone, alles sauber, so perfekt, doch leblos, dann das Grauen im Hinter- und Untergrund. Zwanghaft.« Jurek räusperte sich und setzte fort: »Ich glaube, Kambala ist in sieben Stunden tot.«

 

© Leszek Stalewski

 

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© Leszek Stalewski
Erstveröffentlichung für EXODUS 45
© Illustration von David Staege

Hallo?

Sie sind wach.

Was ist Ich Ich fühle nichts Wo bin Ich fühle meinen Körper nicht! Wieso kann ich nichts sehen?

Keine Sorge, es geht Ihnen gut. Jetzt sind Sie wieder wach.

Wer sind Sie? Wieso sehe Wieso sehe ich nichts?

Beruhigen Sie sich. Es ist zu Ihrem Schutz. Sie hatten einen Unfall und müssen langsam aufwachen. Aber es geht Ihnen gut. Können Sie sich erinnern, was passiert ist?

Nein Ich Was für ein

Wie heißen Sie?

Wie heißen Sie?

Mein Ich weiß es nicht. Wer sind Sie? Sind Sie Arzt?

Ich bin eine KI. Ich helfe Ihnen, aufzuwachen.

Aber bin ich verletzt? Was war das Was für ein Unfall?

Es geht Ihnen gut. Ich helfe Ihnen, sich zu erinnern. Das ist im Moment das Wichtigste.

Was ist denn passiert?

Ihr Name ist William. Erinnern Sie sich an Ihren Nachnamen?

William Ja. Nein.

Ihr Name ist William Gomes. Sie sind in São Paulo geboren. Erinnern Sie sich an Ihre Eltern?

Nein. Oder

Die Namen Ihrer Eltern sind Olivia und Walter.

Olivia und Walter. Ja genau. Ja Ja ich erinnere mich an meine Mutter.

Beschreiben Sie sie. Das hilft Ihnen, sich zu erinnern.

Sie sitzt am Esstisch mit der Und er auch Mein Vater Ich weiß es noch Ich Aber

Beruhigen Sie sich. Ich helfe Ihnen. Sie sind in São Paulo geboren und zur Schule gegangen. Sie waren ein guter Schüler. In Ihrer Freizeit haben Sie Fußball gespielt, Hologramme gestaltet und viel gelesen. Ihre Jugendliebe hieß Ariana. Erinnern Sie sich an sie?

Ja Ja ich erinnere mich. Sie war Sie war fast so groß wie ich und Grüne Augen. Sie hat ein bisschen gelispelt Grüne Augen und einen hübschen Hintern Ja Reden Sie weiter Das Das Ich erinnere mich!

Sie haben einen exzellenten Schulabschluss gemacht und ein Stipendium für die Carlos-Martins-Andrade-Universität erhalten. Auch dort waren Ihre Abschlüsse sowie Ihre Promotion exzellent. Erinnern Sie sich, was Sie studiert haben?

Zuerst Neurotechnologie und dann Humantechnik.

Sehr gut. Erinnern Sie sich, wieso Sie Ihre Spezialisierung gewählt haben?

Wieso Ja Ich weil ich ein Auge verloren habe. Im Labor Wegen

Und dann?

Dann

Was ist dann passiert?

Dann habe ich mit der Humantechnik angefangen und Genau! Das war ich Ich habe das Cye konstruiert Daran mitgearbeitet In Singapur Ich habe das Team geleitet und das erste Cye getestet.

Sie hatten das erste humantechnische Auge, Dr. Gomes. Das ist richtig. Was ist dann passiert?

Sagen Sie mir bitte zuerst, was passiert ist. Es ist Ich fühle mich gar nicht gut ohne Sicht Ich habe Angst. Bitte aktivieren Sie meine Sicht, wenn es geht.

Erzählen Sie mir mehr von sich, das ist jetzt das Wichtigste. Es ist zu Ihrem Schutz.

Also Aber Na gut

Was ist dann passiert?

Dann Dann bin ich wieder nach São Paulo zurück und habe weitergearbeitet. Wieder bei Suncrest aber zu Hause. Zuerst wieder mit Augen, dann an Händen und dann an den Chips. Und am Gonzalo-Silva-Institut habe ich mit Aline gearbeitet Sie kennengelernt Mich in sie

Sprechen Sie weiter.

Aline

Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt? Es ist wichtig, dass Sie sich erinnern.

Aber Aline Was ist mit ihr Ok, ja Ja. Sie war eine Patientin. Autistin. Und wir haben Ich habe die Autophagie überwacht und Ihr den Chip

Erzählen Sie mehr von Ihrer Frau. Wie haben Sie sie kennengelernt? Beschreiben Sie sie. Das hilft Ihnen, sich zu erinnern. Es ist wichtig, dass Sie sich erinnern.

Ja Die Synapsentherapie war erfolgreich und Und Sie hat im Kalibrationsraum nur auf den Boden geschaut, wenn ich Auf den grauen Boden. Man konnte die Narbe am Kopf noch sehen, wo der Chip Aber dann sind ihre Haare wieder gewachsen. Sie hatte blonde, weiche Haare. Und Aline Ihre Augen, als sie mich zum ersten Mal direkt angeschaut hat, das werde ich nie bewusst und freiwillig angeschaut. Wie ihr Mund leicht schief, wenn sie gelächelt hat. Sie ist immer am Fenster gesessen und hat auf die Rhododendren geschaut, die Hände gefaltet und dann hat sie mich angeschaut Ihr helles Lachen

Ich liebe sie Ich habe sie

Sie haben Sie geheilt. Sie und die Suncrest-Technik. Sie haben geheiratet und sind nach Singapur gezogen. Dort haben Sie sich zum Leiter der Cy-Forschung hochgearbeitet. Sie haben direkt unter Dr. Arthur Mackenzie gearbeitet, und Sie sind Freunde geworden. Können Sie sich erinnern?

Können Sie sich erinnern, Dr. Gomes?

Aline Ich kann

An was haben Sie und Direktor Mackenzie zusammen gearbeitet?

Nein

Können Sie sich nicht erinnern?

Ich will nicht Aline ist krank geworden wegen

Das ist richtig. Ihre Frau wurde krank. Können Sie sich an Ihre Zusammenarbeit mit Direktor Mackenzie erinnern?

Ich Nein!

Erzählen Sie mir davon.

Nein!

Bitte erzählen Sie weiter. Es ist wichtig, dass Sie sich an alles erinnern.

Wieso ist das wichtig? Was wollen Sie von mir? Wo bin ich?

Wenn Sie nicht weitersprechen wollen, muss ich Sie zwingen, Dr. Gomes. Bitte sprechen Sie weiter. Es ist wichtig.

Wie wollen Sie mich zwingen Aktivieren Sie jetzt endlich meine Sicht! Ich Au Oh mein Hören Sie Aaah

 

Oh Gott Was

Aufhören Bitte Hören

Ich kann Ihre Sicht leider nicht wiederherstellen, aber ich kann Ihnen Schmerzen zufügen und auch Ihr Schreien blockieren, Dr. Gomes. Erzählen Sie jetzt weiter von Ihrer Zusammenarbeit mit Direktor Mackenzie. Es ist wichtig, dass Sie sich erinnern.

Nein Bitte, was

Erzählen Sie jetzt weiter von Ihrer Zusammenarbeit mit Direktor Mackenzie.

Bitte, keine Ok Ich habe mit Arthur Keine Schmerzen mehr Humantechnik. Bei Suncrest. In Singapur An den Chips der zweiten Generation Aber wieso wollen Sie Hört jemand zu? Wieso haben Sie

Erzählen Sie weiter oder ich muss die Intensität des Verhörs erhöhen.

Des Verhörs Was Was ist da passiert? Wo bin

Die Intensität der Schmerzen, die sie über eine Dauer von fünfzehn Minuten empfunden haben, lag bei 28 Prozent von dem, was möglich ist, ohne Sie umzubringen. Vergleichbar mit einem glühenden Eisen auf Ihrem Oberarm. Wenn Sie nicht kooperieren, muss ich die Intensität erhöhen.

Wer Ok Nein! Stopp! Bitte keine Schmerzen mehr Ich erzähle. Die MIMs. Daran haben wir gearbeitet Zuerst nur gegen Krankheiten. Ich bin Anteilseigner geworden, war mit Arthur bei der UNA. In New York Gegen Krebs auch und verschiedene andere Es hat funktioniert Der Chip Bitte Was wollen Sie von mir?

Erzählen Sie weiter. Es ist wichtig. Sonst muss ich die Intensität erhöhen.

Verdammt Alles hat funktioniert Aber wieso Ok Ok Trotz Daniels und Rayn von der UNA und dem Trotz dem Ethikrat und der Resolution und allem Und dann hat die UNA die

Was ist dann passiert?

Und Aline Sie war krank. Sie ist krank geworden Nur am Fenster gesessen Hat rausgeschaut, die Hände Und ich hab sie gerufen aber sie hat mich nicht mehr angeschaut Sie Sie war einfach

Wie hat sich Ihre Arbeit bei Suncrest entwickelt?

Wie hat sich Ihre Arbeit bei Suncrest entwickelt, Dr. Gomes? Soll ich die Intensität erhöhen?

Nein.

Die Chips haben funktioniert. Alles mit uns verbunden. Mit Suncrest Auf der ganzen Welt Intelligent aber steuerbar. Wenn nötig. Nicht mehr nur Kranke, sondern alle Alle wollten die MIMs. Und sie haben sie bekommen. Schneller, mehr Denkleistung, besseres Gedächtnis und alles vernetzt mit anderen Mit uns, mit der ganzen Welt. Steuerbar. Nur wenn nötig, hat er gesagt

Das ist richtig. Zusammen mit Direktor Mackenzie haben Sie den Mind-In-Mind-Chip entworfen und seine Anwendung geplant. Sie waren maßgeblich an seinem Erfolg und an seiner erfolgreichen Distribution beteiligt. Sie haben der Welt das Licht gebracht. Sprechen Sie weiter.

Wieso sagen Sie Und Das war er, oder? Er hat dich programmiert, oder? Du bist Suncrest! Ok dann KI-Befehl: SunCAdmin-AuthorisierungXO6495Notfall-steuerung Alle Befehle löschen Speicher löschen Ausführen!

 

Sie sind wieder wach. Das waren 30 Minuten bei 70 Prozent. Es ist wichtig, dass Sie sich an alles erinnern. Sprechen Sie weiter.

Sprechen Sie weiter, Dr. Gomes.

Ich
Bitte
Ich Mein

Sprechen Sie jetzt weiter.

Ich erinnere

Alles

Sprechen Sie weiter, Dr. Gomes. Es ist wichtig, dass Sie sich an alles erinnern.

Und dann? Dann 100 Prozent, wenn er Er gehört hat

Soll ich Wieso soll ich Wieso soll ich mit dir reden?

Sprechen Sie weiter oder ich muss die Intensität erhöhen.

Er hört zu, oder?

Warte Moment, lass mich

Ich muss mich kurz Dann

Arthur, wieso noch die KI? Sie hat ihren Job Sie hat mich langsam aufgeweckt und mir Ich erinnere mich an alles. Bin wach. Du kannst mich direkt verhören.

Erzählen Sie jetzt weiter, Dr. Gomes.

Aber Arthur Du faules Du feiges Stück Red mit mir Arthur! Red mit mir! Jetzt!

Sprechen Sie weiter. Ich muss sicher sein, dass Sie sich an alles erinnern, Dr. Gomes. Das ist das Wichtigste.

Also gut, ich beweise dir, dass ich mich an alles erinnere, dann kann Arthur Also gut Hör zu. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie wir es geschafft hatten. Zum neuen Jahrzehnt an die 65 Prozent der Weltbevölkerung mit MIMs im Kopf. Die Resolution der UNA, alle Kritiker haben uns einen Dreck interessiert, die Diskussionen, Kommissionen, die Politiker. Die meisten Menschen haben uns geliebt, vergöttert, der Rest war uns scheißegal. Suncrest hat Kohle gemacht wie keine Firma und kein Staat in der Menschheitsgeschichte, mit der Hardware und noch mehr mit den Lics. Wir haben die Welt vernetzt. Wirklich vernetzt. Wir haben die Evolution in die eigene Hand genommen. Der bessere Mensch, der vernetzte Mensch, wir haben ihn erschaffen. Wir haben die Sonne aufgehen lassen und der Welt das Licht gebracht.

Das ist richtig. Was ist dann passiert?

Dann haben die Begleiterscheinungen zugenommen. Nicht nur die Persönlichkeitsstörungen und Psychosen, sondern auch die Ausfälle, und es kam der erste Virus. 622 Tote, aber das hat der UNA gereicht. Wir sind trotzdem nicht nach New York. Wir haben unser Netz abgesichert, die SunSec und die Verteidigung aufgebaut, Waffen entwickelt und gekauft, haben die USA, China und die UNA hingehalten, solange bis wir sicher waren.

Nur, wenn es nötig ist, hatte er gesagt. Und nach der Kriegserklärung der UNA haben wir entschieden, dass es nötig war. Es war nicht nur Arthur. Ich habe auch dafür gestimmt.

Auf einen Schlag haben wir mehr als tausendvierhundert MIMs überladen. Feinde ausgeschaltet. Zehntausend andere für unsere Proklamationen und Angriffe genutzt. Drei Tage später tausend weitere getötet, nur um unsere Macht zu demonstrieren, und dann noch mal.

Der erste Krieg hat nicht lange gedauert. Die SunDef und die Raute – zum Suncrest Tower und zur Stadt kam kein Airvee, keine Rakete und kein Strahl durch, kein Virus und keine Bakterien, nicht ein einziges beschissenes Nanoset. Dafür haben wir dann New York angegriffen. Und das erfolgreich.

Das ist richtig. Was ist dann passiert, Dr. Gomes?

Sie war schon länger krank gewesen. Nicht der Autismus, der Chip hat funktioniert. Sie hat mehrmals gefragt, ob Aber der Chip hat funktioniert. Ich habe darauf bestanden Darauf bestanden, dass er bleibt, wo er ist, aber es gab Begleiterscheinungen, fast von Anfang an.

Sie hat mich nicht mehr angeschaut Ist am Fenster gesessen, sie saß einfach am Fenster. Starke Depressionen und Fieberschübe. Eine Lungenentzündung. Manchmal

Sie wollte Wollte mich nicht mehr sehen.

Die Techniker haben alles versucht. Die Ärzte. Wir haben sie in alle Kliniken Und alle Medikamente, Nanotherapie natürlich. Ich habe alles versucht, wirklich alles, aber es hat nichts geholfen.

Und wir haben weitergemacht. Sie am Fenster. Einfach auf die Büsche geschaut. Mich nicht mehr angeschaut. Und ich habe mich in die Arbeit vertieft. Wenn ich den Chip Ohne Chip wäre der Autismus wiedergekommen. Alines Synapsen hätten sich wieder Ich konnte sie einfach nicht aufgeben. Nicht ganz. Nicht so. Ich konnte es nicht.

Frag mich nicht und dann, du Drecksprogramm, du verdammtes Scheißding, ich erzähle schon weiter.

Sie ist gestorben. An einem Hirnschlag. Oder am Chip. Oder an ihrer Weigerung weiterzuleben Mit mir weiterzuleben. Manchmal dachte ich In den Momenten, wo sie mich kurz Dachte ich, sie wüsste und sie würde absichtlich Sie hätte sich gegen mich entschieden und gegen das, was ich für die Welt bedeute. Die sie ja endlich fassen konnte, aber Ich

An einem Septembermorgen. Am Tag unseres zweiten Angriffs. Auf Peking und Neu Delhi. Und ich war nicht bei ihr. Ich war im Suncrest unter der Erde. Ich habe sie nicht mehr gesehen. Mich nicht mehr von ihr

Am nächsten Tag bin ich dann abgehauen. Mit dem Full-Stealth nach Bangkok geflogen. Als Arthur davon Wind bekommen hat, saß ich schon am Tisch mit Rayn und de Gonçalves. Und sie haben mir nicht viel anbieten müssen. Ich bin übergelaufen und habe den Gegenschlag vorbereitet.

Das ist richtig. Sie haben Suncrest verraten. Sie sind für die Zerstörung der Sonnenschleudern in Tokyo und Osaka sowie für die Fortdauer des dritten Krieges verantwortlich.

Er läuft also noch. Welches Datum ist heute? Du wirst diesen Krieg nicht gewinnen, Arthur.

Sie haben der UNA Schlüsselinformationen über die Suncrest-Technologien und neuralgische Punkte in der Verteidigung zukommen lassen. Dafür sind Sie bereits von der Exekutivkammer des Sonnenturms zum Tode verurteilt worden.

Und genau hier erzählst du mir, dass ich mich – weil ich ja jetzt hinreichend bewiesen habe, dass ich mich an alles erinnere – noch retten kann, oder? Lass mich raten, Arthur, du willst wissen, wie ich und die UNA es durch die Verteidigung geschafft haben. Du willst wissen, wo und wie du die UNA am besten angreifst, und vor allem willst du wissen, wie ich die Kommunikation mit den MIMs blockiert habe.

Das ist richtig, Dr. Gomes. Falls Sie diese Informationen preisgeben, ist Direktor Mackenzie gewillt, über die Vollstreckung Ihres Todesurteils nachzudenken. Geben Sie mir jetzt diese Informationen.

Ich sag dir was, du beschissenes, kleines Drecksprogramm. Du kannst mich mal am Arsch lecken. Wenn Arthur was von mir will, soll er selbst fragen. Mit dir bin ich fertig. Bring mich um oder folter mich ewig weiter und Arthur verliert den Krieg. Du wirst abgeschaltet und Arthur zum Tode verurteilt. Du und Arthur, ihr solltet euch also Gedanken machen, wie ihr mich bei Laune halten könnt und nicht andersrum. Also erstens – ich wiederhole – leck mich am Arsch, und zweitens: Hol Arthur, wenn er nicht schon zuhört. Mehr habe ich nicht zu sagen.

 

Sie sind wieder wach. Geben Sie mir jetzt die Informationen, um die ich Sie gebeten habe.

Wo

Geben Sie mir jetzt die Informationen.

Du Du

Du kannst mich mal

 

Sie sind wieder wach. Sprechen Sie weiter, Dr. Gomes. Es ist wichtig.

Das waren 30 Minuten bei 84 und zwölf Minuten bei 96 Prozent. Ich bin befugt und fähig, Ihr Urteil zu vollstrecken, Dr. Gomes. Geben Sie mir jetzt die Informationen, um die ich Sie gebeten habe.

Ich
Ich kann
Scheiße
Ich Bitte Bitte hör auf

Sprechen Sie weiter, Dr. Gomes.

Scheiße
Arthur Entschuldigung, Arthur Dass ich dich beleidigt Hör mir zu, bitte. Ich schwörs dir Ich Ich war für den Angriff verantwortlich, ja, aber die Keine Die haben mich nicht in die DetailsIch kann dir Warte kurz Ich kann dir

Ich kann dir alles erzählen, was du willst. Alles über Rayn und seine Pläne und was die UNA Arthur Aber ich weiß nicht, was Ok Rayn. Rayn. Er will ein Erdbeben Er hat eine Maschine, die Hat er schon? Du musst den Tower sichern Ich weiß nicht, ob die Konstruktion so ein Beben aushält Und die Tokyoter Schleuder reparieren Er hat ein paar gute Leute, ich glaub er Hör mir Aber ich weiß nicht, wie sie die MIMs

Geben Sie mir jetzt die Informationen. Die Intensität des nächsten Impulses wird bei 100 Prozent liegen.

Ich weiß es nicht! Scheiße Ich habe denen Aber die wissen Die haben sichergestellt, dass ich nichts von den Details und

 

Du verdammtes Arschloch, William, was soll der Scheiß?

Ich verstehe dich nicht. Wirklich. Nie hätte ich mir auch nur im Traum vorstellen können, dass du so ein verdammter Hurensohn und so ein unglaublich dummes Arschloch sein könntest, William.

Arthur

Und damit du mich gleich richtig verstehst, ich konnte mir deine Scheiße einfach nicht länger anhören, lebend hier rauskommen wirst du nicht, egal, was du weißt. Ich werde rausfinden, was du weißt, alles, sei dir dessen sicher, dafür werde ich dich gar nicht so lange foltern müssen, du wirst schon sehen, aber dass du mich für dumm verkaufen willst Nach allem, was wir Nachdem du mich mit der UNA Unsere Firma, William! Unsere Welt! Und du nimmst am Angriff auf Osaka teil, du selbst, vor Ort, mein Gott, William, allein das. Aber dann soll ich Ich soll dir wirklich glauben, dass du nichts über die Details weißt? Für was hältst du mich?

Arthur Es
Es tut mir leid.

Mir auch, William. Mir tut es auch leid. Zumindest fast. Zu sehen, was aus dir geworden ist. Aber nur fast. Und ich meine damit nicht, dass du zum Verräter geworden bist und Suncrest Schaden zugefügt hast. Dass du die Zukunft aufs Spiel gesetzt hast, nur weil du sauer warst, dass deine Frau gestorben ist. Sondern ganz wörtlich. Dich jetzt in diesem Tank zu sehen, tut mir fast leid.

Was für Was meinst du damit, Arthur?

Du scheinst dich doch nicht an alles zu erinnern, oder? Du bist in Osaka mit den Leuten von der SF3 bis zum letzten Ring gekommen, erinnerst du dich?

Ja In was für einem Tank, Arthur?

Euer Impuls und die Viren hatten alles Wichtige gestoppt und gelöscht. Also habe ich eine Sub Seven auf den Komplex feuern lassen. Nur eine kleine. Weil ich dich haben wollte. Nicht lebend und nicht deinen Körper, aber deinen Kopf. Du bist gestorben und verbrannt. Nur dein Hirn wollte ich, und der Helm hat gute Arbeit geleistet.

Aber Ich Arthur, hast du

Genau. Die Sec hat dich rechtzeitig aus den Trümmern geholt und Warren Miles hat dein Hirn aus den Überresten von deinem Kopf geholt.

Du kannst nicht Bitte sag mir, dass Bitte Scheiße Aber ich

Ich kann sehr wohl und ich habe auch. Du liegst in einem Interfacetank.

Nein Nein Nein Scheiße Nein Das kann nicht

In einem von Miles’ Laboren im vierzehnten Ring. Nur dein Hirn. In Nanolösung, und verkabelt. Nur dein beschissenes, dummes Verräterhirn, William.

Arthur, bitte

Hör endlich auf, dein Gejammer hilft dir nichts mehr. Und ich brauche auch deine Informationen nicht mehr. Direkt vor unserem Gespräch hat ein Screener aus Valeris Team rausbekommen, wie ich den Schirm der UNA in den Griff bekomme. Es sind schon zwei Raketen unterwegs. Eine nach Sydney und die andere nach Boston.

Du hast Raketen abgefeuert?

Da sind zwei geradezu erbarmungswürdig schlecht geschützte Rechenzentren. Wenn sie ausfallen, wird es ein paar Sekunden lang keinen Schirm geben. Und das reicht. Die UNA Du hast den Krieg verloren. Und damit die Kontrolle über die MIMs. Und wenn ich – rein interessehalber – rausgefunden habe, wie du die Verteidigung in Osaka durchbrochen hast, übergebe ich dich wieder der KI, bis du vor Schmerzen verrückt geworden bist. Dann, erst dann hole ich dich eigenhändig aus dieser Scheißlösung und zermatsche dein Hirn auf dem Boden, William.

Nein.

Nein was?

Nein. Ich werde dir alles sagen, was ich weiß. Ich habe Informationen für dich, die du noch nicht hast. Es ist nicht nötig, mich zu foltern. Und ja, die UNA ist nicht besonders gut aufgestellt im Vergleich zu Suncrest. Ihre Waffen, ihre Verteidigung, die Forschung. Es ist geradezu lächerlich, was mir Rayn erzählt hat. Außer seinem Schirm hat er praktisch nichts, was deiner Technik gewachsen wäre.

Das ist mir klar.

Hör mir bitte zu.

Ich hab es ernst gemeint. Es tut mir wirklich leid. Das, was wir erschaffen haben. Suncrest. Die MIMs, der Krieg. Das, was wir der Welt gebracht haben und das, was ich getan

Dein Verrat, der sollte dir leidtun.

Du wirst jetzt schweigen, Arthur.

Wir haben nicht verstanden, was unser Glaube an die Technik bewirkt hat. Unser Glaube, dass wir über alle menschlichen Schwächen siegen könnten. All diese Rhetorik vom Fortschritt und der Zukunft, von der Evolution und vom Licht, das wir der Welt gebracht haben.

Dabei waren wir selbst blind, von Anfang an. Blind vor Eifer, dann vor Gier, dann vor Machtdurst. Wir haben kein Licht gebracht, sondern die Welt mit Blindheit geschlagen. Und im Zentrum unseres riesigen Reiches, ganz oben in unserem Turm, da saßen wir und haben uns an dieser Dunkelheit ergötzt, wir, die blinden Könige.

Wir wollten nicht aufhören, nicht kooperieren, nicht erkennen, wo unser Weg hingeführt hat. Ich wollte nicht aufhören. Ich wollte nicht akzeptieren, dass Aline nie gesund sein würde. Mit meinem Auge hatte ich es ja auch geschafft, dachte ich. Aber ich wollte zu viel. Nichts weniger als die Natur selbst besiegen.

Ohne Chip hätte Aline überlebt. Unsere Technik hat sie nicht gerettet, sondern sie umgebracht, ich habe nicht die Natur besiegt, sondern nur meine Menschlichkeit, und ich allein bin schuld an Alines Tod. Mitschuld an so vielen weiteren Toden.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie leid mir das tut.

Ich kann es nicht rückgängig machen. Es ist passiert. Aber ich habe schlussendlich aufgehört. Einen anderen Weg gewählt, mich gegen dich gestellt. Und – bitte verzeih mir den schlechten Witz – es sieht tatsächlich so aus, als ob der Einäugige unter den Blinden bis zum Ende die Krone tragen darf.

Du, Arthur, du tust mir nicht leid. Nicht einmal fast. Also erzähle ich dir auch noch, was jetzt passiert, während wir warten. Ich bin sicher, dass du dazu gerne etwas sagen würdest, aber ich kann deine Scheiße auch nicht mehr hören, deswegen bleibt der Inhibit-Befehl, den ich deinem Chip gegeben habe, aktiv. Besser so.

Rayn hätte keine Chance gegen dich gehabt. Auch de Gonçalves hätte nicht viel tun können. Aber weißt du, was sie gut kann, Arthur? Viren. Der erste Virus war von ihren Leuten, wusstest du das? Jedenfalls haben wir uns zusammen etwas überlegt, und na ja, der Plan hat funktioniert.

Der ganze Angriff auf Osaka war natürlich ein Trojanisches Pferd. Sein einziges Ziel war, dass du mich holst, zu dir nach Singapur. Ich wusste, dass du mit mir noch nicht abgeschlossen hattest. Ich wusste auch, dass du mich foltern würdest. Aber das war meine Buße, Arthur. Mein steiniger Weg zurück zur Menschlichkeit. Und ich wusste noch eins. Dass du auf die Rechenzentren – die falschen Informationen wurden euch übrigens von de Gonçalves zugespielt – Dass du keine kleinen Raketen feuern würdest. Ich musste dich nicht fragen, ich habe ja den Angriff auf New York gesehen. Du hast Atomraketen geschickt, Sonnenstürme nehme ich an. Mit genug Sprengkraft, um beide Städte in Asche zu verwandeln. Oder um Singapur in Asche zu verwandeln. Nicht nur den Turm, sondern ganz Singapur. Dein ganzes Reich dem Erdboden gleichzumachen. Und genau darauf warten wir jetzt, Arthur. Darauf warten wir jetzt.

Während du geredet hast, habe ich über deinen MIM und mithilfe des Virus, den Miles in meinem Chip übersehen hat, deine gesamte Verteidigung ausgeschaltet, die Kontrolle über die Raketen an Rayn gegeben und die Kontrolle über deinen Körper übernommen.

Du warst blind, Arthur. Trunken vor Macht und Wut hast du deinen größten Feind nicht nur in deine Stadt, sondern auch in deinen Kopf gelassen.

Genauso wenig wie ich kannst du jetzt noch irgend-etwas gegen das Ende tun. Die Raketen müssten bald hier sein. Und im Angesicht des Endes, Arthur, werden wir beide schweigen. Uns dessen bewusst, was wir waren, was wir sind. Fehlbar, dumm, zerstörerisch. Aber am Ende – und wenn auch nur in unserer Angst vor dem Tod – immer noch menschlich.

 

 

© Moritz Greenman

Erstveröffentlichung für EXODUS 42

Illustration von Mario Franke