Als SF-Fan aus den westlichen Bundesländern hatte man vor dem Fall der Mauer wenig Gelegenheit SF aus der DDR kennen zu lernen. Wenige Autoren aus dem Osten schafften den Sprung in westliche Verlage und Buchhandlungen. Und doch hatte man immer das Gefühl, jenseits der Mauer gäbe es bestimmt auch den einen oder anderen Autor, der lesenswerte Texte zu Papier gebracht haben könnte.

Nach dem Fall der Mauer schwappten auf Trödelmärkten im ehemaligen Grenzgebiet diverse Bücher und Taschenbücher herüber und die meisten waren inhaltlich eine Enttäuschung. Andere offenbarten aus ihrem kommunistischen Blickwinkel eher Einblicke in die früheren Verhältnisse und Gedankenbilder der schriftstellerisch Schaffenden und den Grenzen, die ihnen in der DDR auferlegt wurden. Grenzen im Kopf auch bei einem Genre wie der Science Fiction, für die es ja grundsätzlich keine Grenzen geben dürfte? Aber ja, sicher.

Trotzdem ist jeder Einblick in diese spezielle Science Fiction interessant, ob in historischer, schriftstellerischer oder politischer Weise. Erik Simons kurze Gedanken zum Ehepaar Braun geben hier einen kleinen Teil wieder.

Das Interview mit Crossvalley Smith – dessen Werke diesmal die Galerie füllen – offenbart nach m. M. nach ein Dilemma der zeichnenden Zunft, gerade in den phantastischen Genres. Die Technik, mit Computer-Programmen und -Werkzeugen zu arbeiten, muss schon äußerst verführerisch sein. Aber man sieht es manchen Bildern an, dass Teile vervielfacht, gespiegelt, vergrößert und verkleinert wurden (siehe z.B. Felsen in „Temporia", „Black Hole over Kraal" und Wasseroberfläche samt Reflexen und darin liegenden Steinen in „Temporia", „First Contakt" und dem Titelbild).

Auf den ersten Blick scheint das nicht zu stören und die Szene, die dargestellt wird, ist klar zu erkennen und zu erfühlen. Doch wenn man dann genauer hinsieht, und die Stellen findet, die eben nicht nur der Phantasie und der Hand des Künstlers entsprungen sind, sondern eben o.g. Technik, dann schleicht sich ein leichtes Unbehagen ein. Dieser Fels kann niemals so entstanden sein, diese Gebirgsformation ist nicht der Natur nachempfunden, sondern technisch erzeugt.

Das mag bei Oberflächen von Raumschiffen, Waffen, futuristischen Gebäuden u.ä. sogar erwünscht und beabsichtigt sein. Aber bei „natürlichen" Landschaften, ob auf der Erde oder anderen Planeten, fällt das mühsam erzeugte Bild einer exotischen, fremden Welt in sich zusammen und die Erkenntnis künstlich geschaffener Umgebung drängt sich überdeutlich ins Bewusstsein. Die Illusion ist dahin. Ohne Zweifel, die Bilder sind klasse, ohne solche „Technik-Makel", echt von Hand gezeichnet, wären sie spitze. Das ist eben das letzte Tüpfelchen am berühmten i.

Zum Heft selbst kann man nur sagen: Weiter so. Ein fester, farbiger Umschlag, hier mit einem Rücken wie von Hochglanzmagazinen, gute Stories samt Autoren- und Zeichnerkurzporträt, eine Schriftgröße, welche hervorragend lesbar ist (andere, einfacher hergestellte Fanzines glauben hier mit Minischriften Seiten und Geld sparen zu müssen), bilden ein richtig starkes Stück in einem Markt, der nicht gerade nach deutschen Autoren schreit. Dank an die drei Herausgeber für ein gelungenes Heft 27. Und Heft 28? Wurde für Juli 2011 angekündigt.

Zum Inhalt:

11 Kurzgeschichten von ...

  • Reinhard Kleindl „Grüße aus der Behörde"
  • Martin Schemm „Mnemosyne"
  • Frank Neugebauer „Kindersoldat Rinti"
  • Helmut Hirsch „Der Tanz der Seekühe"
  • Wolf Welling „Mayday"
  • Michael Tillmann „Beksinski – Heimat der Gräber"
  • Verena Wolf „Spritzenkinder"
  • Hans Jürgen Kugler „Gefressen!"
  • Uwe Post „Luna Bräu"
  • Christoph von Zastrow „Clean"
  • Johanna und Günter Braun „Die Außerirdischen holen den Germanistikprofessor"
  • ... und ein paar Gedanken von Erik Simon zu dem DDR-SF-Autorenpaar Braun

rezensiert von Werner Karl aud SF-Basar